ÖRV/Ebermann

Von Gejagten zu Jägern

Zum dritten Mal nach 1996 und 2012 findet die Rodel-Weltmeisterschaft im sächsischen Altenberg statt, 162 Athletinnen und Athleten aus 21 Nationen haben für die Titelkämpfe genannt. Die Medaillenjagd startet am Freitag mit den Sprintbewerben, die den Top-15 nach der Qualifikation vorbehalten sind und mit einem fliegenden Start in nur einem Durchgang entschieden werden. Am Samstag und Sonntag folgen die klassischen Formate und eine Team-Staffel. Für die ÖRV-Asse hängen die Trauben diesmal ein Stück weit höher.

Durchwachsenes Training

Nach der, mit vier Gold- und einer Silbermedaille, erfolgreichsten Europameisterschaft in der ÖRV-Geschichte, werden die Karten neu gemischt und die Rollen getauscht. Auf die Igler Gleiterbahn folgt mit Altenberg einer der technisch anspruchsvollsten Eiskanäle überhaupt, diesmal ist Deutschland Gastgeber und in der klaren Favoritenrolle. Österreichs Rodler werden von den Gejagten zu Jägern, dämpfen nach einem eher durchwachsenen Training mit etlichen Stürzen und Blessuren die Erwartungshaltung. Madeleine Egle musste aufgrund von Nackenproblemen zwei trainingsfreie Tage einlegen, Wolfgang Kindl, der sich am Montag bei einem harten Einschlag im Zielauslauf den fünften linken Mittelfußknochen gebrochen hat, muss ebenfalls auf die Zähne beißen. Zumal der Natterer im Ein- und gemeinsam mit Thomas Steu auch im Doppelsitzer an den Start geht und damit am Freitag und Samstag gleich acht Rennläufe vor der Brust hat. 

Während Thomas Steu im Doppelsitzer und Wolfgang Kindl, David Gleirscher sowie Madeleine Egle im Einsitzer in Altenberg bereits im Weltcup siegreich waren, bleibt der SachsenEnergie-Eiskanal für Jonas Müller eine absolute Herausforderung. Der amtierende Weltmeister und Sprint-Weltmeister von 2019, der in Altenberg bis dato nicht über Rang zehn hinauskam, tat sich auch in dieser Trainingswoche extrem schwer. Nicht mehr vor Ort sind Lisa Zimmermann und Dorothea Schwarz, die Juniorinnen, die für den Damen Doppelsitzer nominiert waren, mussten bereits am Sonntag die Heimreise antreten. Zimmermann hatte sich bei einem Trainingssturz das Erbsenbein im Handgelenk gebrochen. Damit nehmen insgesamt 12 ÖRV-Schlitten die Titelkämpfe in Angriff.

Wer sprintet am schnellsten?

Bei den sechs zurückliegenden Sprint-Weltmeisterschaften gewannen Österreichs Rodler elf der bisher 57 vergebenen Medaillen, darunter drei Goldene. 2017 krönte sich Wolfgang Kindl in Igls zum Weltmeister, 2019 sprintete Jonas Müller in Winterberg zum WM-Titel, 2021 räumte Nico Gleirscher Gold ab. Bruder David Gleirscher holte in Sotschi (2020) Silber und gewann ein Jahr später in Königssee Bronze. Auch im Vorjahr rodelte mit Jonas Müller ein ÖRV-Einsitzer auf das Sprint-Podest, der Vorarlberger holte hinter Felix Loch (GER) WM-Silber. Bei den Doppelsitzern sprinteten Peter Penz und Georg Fischler 2016 und 2017 zu Silber, 2019 gewannen Thomas Steu und Lorenz Koller Bronze, Yannick Müller und Armin Frauscher rodelten beim WM-Sprint in Oberhof 2023 ebenfalls auf Rang drei. Im Damen-Doppelsitzer gewannen Selina Egle und Lara Kipp bei der Sprint-WM-Premiere im Vorjahr Silber. Im Einsitzer fehlt den ÖRV-Damen noch eine Medaille, bei den letzten beiden Sprint-Weltmeisterschaften ging der komplette Medaillensatz an Deutschland. Die Sprint-Entscheidung startet am Freitag ab 13:00 Uhr. 

Jonas Müller: „Mit fehlt hier in Altenberg generell die Lockerheit und speziell im unteren Bereich die Linie. Ich schaffe es viel zu selten, einen fehlerfreien und schnellen Lauf ins Ziel zu bekommen. Es ist zum Teil sicher ein Kopfthema, ich weiß, dass meine Form sehr gut ist, tu mir aber auf dieser Bahn von Haus aus extrem schwer. Nicht umsonst habe ich hier noch nie wirklich anschreiben können. Ich habe in der Trainingswoche sehr viel bei der Abstimmung probiert und hart gearbeitet, am Willen und Einsatz scheitert es sicher nicht.“

Madeleine Egle: „Ich habe das Training zuletzt wieder etwas dosieren müssen. Neben der anhaltenden Schulterthematik kamen diese Woche noch Probleme mit dem Nacken hinzu. Ich habe in der Vergangenheit bewiesen, dass ich mich im Wettkampf verglichen zum Training deutlich steigern kann und hoffe natürlich, dass mir das auch an diesem Wochenende gelingt.“

Wolfgang Kindl: „Beim Rodeln sollte der gebrochene Mittelfußknochen kein Thema sein. Aufpassen muss ich trotzdem, jeder Kontakt ist ziemlich schmerzhaft. Im Doppelsitzer hat es trotz des Handicaps gut funktioniert, ich kann Thomas zwar bei den Lenkeinsätzen nicht in der Intensität unterstützen wie gewohnt, aber hier bin ich zuversichtlicher als im Einsitzer, wo ich mir bei der Abstimmung schwerer getan habe. Es wird ein brutal intensives Wochenende, eine Medaille ist ganz klar das Ziel.“

Christian Eigentler (ÖRV-Cheftrainer): „Bei der EM in Igls haben wir den Heimvorteil sehr gut ausspielen können, jetzt haben die Deutschen diesen Bonus auf ihrer Seite, sie sind klar zu favorisieren, speziell auf dieser Bahn. Wir haben im Training viel getestet und probiert, unterm Strich sind wir aber, abgesehen von ein paar Ausnahmen, nicht nach Wunsch ins Rodeln gekommen. Zum Teil fehlt es am Start, zum Teil passen die Linien nicht, hinzu kommen einige Blessuren. Wir werden uns sicher nicht verstecken, müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass die Trauben an diesem Wochenende ein Stück weit höher hängen. So gesehen freuen wir uns über jede einzelne Medaille.“

ÖRV-Aufgebot/Altenberg:

Einsitzer:

Barbara Allmaier, Madeleine Egle, Hannah Prock, Lisa Schulte

David Gleirscher, Nico Gleirscher, Wolfgang Kindl, Jonas Müller

Doppelsitzer:

Selina Egle/Lara Kipp

Juri Gatt/Riccardo Schöpf, Yannick Müller/Armin Frauscher, Thomas Steu/Wolfgang Kindl

Fotos: ÖRV/Ebermann

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